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Auf zum Gunung Sibayak (2212m) – Berastagi

Ein Beitrag von Eve

Nach einem Tag im Bett habe ich mich von meiner Darminfektion soweit erholt, dass wir von Ketambe aufbrechen können. Mit eine Pick-up fahren wir nach Kutacane, ein wuselige, chaotisches Städtchen hier mitten im Dschungelgebiet. Am Busbahnhof müssen wir nicht lange auf unseren Minibus warten. Und wieder geht das gleiche Spiel von vorne los: zusammenrücken, anhalten, aussteigen, auseinanderrücken, anhalten, zusammenrücken, anhalten, wieder auseinander usw. Immer wieder spannend, wer so alles einsteigt. Wir bleiben wie zuvor die einzigen Touristen. Auf kurvigen Straßen geht es ins Hochland, der Heimat der Karo-Batak. Wie so oft hier in Asien schätzten die Kolonialisten die kühle Bergluft und haben hier Plantagen und eine Infrastruktur angelegt.

Impressionen auf einer Busfahrt

Vor dem „Indomaret“ in Berastagi lädt uns der Fahrer ab, leider der Falsche, denn es gibt in jeder Stadt ein Dutzend dieser Supermärkte. Nach eine kurzen Telefonat klärt sich alles auf. Wir nehmen eine gelben Minibus zum richtigen Markt, wo Maria, unsere Gastgeberin uns abholt. Da das Guesthouse sehr versteckt in einem Hinterhof liegt, hätten wir es niemals gefunden, wenn Maria nicht zur Straße gekommen wäre. Also immer vorher anrufen! Da unsere Gastgeberin gutes Englisch spricht, überfällt sie uns mit einem Wortschwall von Informationen zu Berastagi. Hier und da ein chinesisches Restaurant, in dem es sogar Schweinefleisch gibt, was sie mehrfach betont. Die Farben der Minibusse sind ebenso bedeutsam wie die Infos zu den Märkten.

Auf dem Markt

Nach einem Welcome-Bier auf dem von grauem Aschestaub bedeckten Rooftop mit Blick auf die beiden Vulkane Sibayak (2212 m) und Sinabung (2460 m), dessen letzte Ausbruchsphase 2014–2015 Tausende Menschen zur Flucht zwang, erkunden wir den größten Gemüsemarkt wahrscheinlich von ganz Sumatra. Was hier im Hochland (1320m) angebaut wird, ist so unvorstellbar, dass wir aus dem Staunen über Berge von Möhren, Kohl, Salat, Tomaten, Avocados, Kartoffeln und Obst aller Art nicht mehr herauskommen. Schließlich heißt Berastagi nicht umsonst Reiskammer. Auf steinigem Boden mit Pfützen und Bretten, Löchern und Müll fühle ich mich mit den Flipflops nicht ganz so wohl, zudem es dunkel ist. Immer wieder ertönt ein freundliches „Hello Mister!“ und das Lachen der Frauen ist so ansteckend, dass wir nicht anders können, als stehenzubleiben und mitzulachen. Diese lebenslustigen Frauen hier erscheinen uns im Gegensatz zu den Frauen in Banda Aceh wie aus einem anderen Land. So selbstbewusst, so fleißig und gesellig wie hier haben wir die Frauen im Norden nicht erlebt. Musliminnen lachen fast gar nicht. Diese Ethnie hier sieht auch ganz anders aus als die arabischen Gesichtsformen im Norden. Wir probieren eine Drachenfrucht, bleiben am Stand der fleißigen Wok-Köchin hängen und ich wage ein Mie Goreng, das hervorragend schmeckt. Für 1,40€ essen wir uns Beide satt! Ein riesiges Erlebnis dieser Markt!

Batak – Frauen auf dem Markt

Von unserem Guesthouse „Nachelle Homestay“ im Süden von Berastagi nehmen wir zusammen mit Brian und Marizza den grünen Minibus (7000 Rp) bis zur Endstation. Mitnehmen sollte man genügend Wasser und warme Jacken, da oben ein kräftiger kalter Wind pfeift. Während der erste Strecke, die über asphaltierte Straße beständig auf und ab geht, quatschen wir Vier so viel, dass ich mich hinterher kaum noch daran erinnern kann, dass er doch so lang war. Beim Hochgehen komme ich alsbald ins Schwitzen und laufe im T-Shirt weiter. Nach etwa zwei Stunden erreichen wir ein kleines Plateau mit ein paar Shops. Von nun an geht’s noch eine Stunde steil über Stufen und Felsen Richtung Krater, wobei der Wind kontinuierlich zunimmt. Zum Glück hat meine Jacke eine Kapuze.

Am Abgrund

An manchen Stellen wird es extrem steil, da der Weg abgebrochen ist, doch Rolf reicht mir immer wieder seine helfende Hand. Er macht das fantastisch! An einem Abgrund, wo der schmale Weg an der Kante dran vorbeiführt, gerate ich an meine Grenze, hab kurz die Tränen in den Augen und während der Wind so an mir zerrt, beschließe ich, nicht auf zu geben, denn Rolf ermutigt mich von der anderen Seite, dass ich es schließlich doch noch schaffe. Ich falle ihm ihm erleichtert die Arme. Je mehr die Vegetation nachlässt, je stärker sind wir dem Wind ausgesetzt. Von weitem sehen und riechen wir jetzt die Schwefeldämpfe, die aus dem Berg austreten. Als wir das Geröllfeld betreten, wird’s mit dem Wind so extrem, dass wir uns gegenseitig festhalten. Wir sind ihm so gnadenlos ausgesetzt und kämpfen uns weiter durch diese Steinwüste. Vom Kraterrand aus sehen wir die Spitze des Berges, der seine letzte Eruption 1881 hatte. Während Brian sich weiter hoch arbeitet, setzen wir Drei uns kurz auf die Felsbrocken, um ein wenig Schutz vor dem Wind zu finden und schauen uns diese unwirkliche Geröllwüste mit ihren Schwefelquellen an.

Da der Wind mit seiner Kälte und Härte keine Gemütlichkeit aufkommen lässt, brechen Rolf und ich wieder auf. Ich immer hinter Rolf an seiner Hand festhaltend gegen den Wind auf rutschigem Geröll. Hoffentlich verlaufen wir uns hier nicht, denn ein Weg ist in diesem Geröll nicht aus zu machen. Bald haben uns die Beiden wieder eingeholt und zu Viert hangeln wir uns wieder hinunter. Rolfs Hand erscheint immer dann, wenn ich sie brauche. Mit etwas wackeligen Knien bewältige ich den Abgrund alleine. Nach einer kurzen Pause auf dem Plateau lassen wir die heißem Quellen links liegen und gehen den gleichen Weg wieder zurück, der mir nun 10x länger vorkommt. Nach ca. 5 Std. kommen wir erschöpft unten an, warten auf den nächsten Minibus und fahren in die Stadt, um im „Rumah Makan Eropah“ eine leckere Suppe zu essen. Diese Restaurant bietet europäische, indonesische und chinesische Küche an, was ich nur empfehlen kann. Die durch den Vulkan verursachte staubige Luft in Berastagi ist allgegenwärtig. Überall kann man den grauen Staub, der sich auf die Dächer, die Gemüsefelder, auf die Autos usw. legt, gut sehen. Dies auf führt dazu, dass die Stadt eher grau und schmutzig wirkt und viele Leute einen Mundschutz tragen und ich noch mal Duschen gehe.

Freddie – ein wunderbarer Gastgeber

Ein Beitrag von Eve

Zwischenzeitlich ist Rolfs Wunde soweit getrocknet, dass er sich ins Meer wagen kann. Während ich mich mit Taucherbrille und Schnorchel an den Dories & Co nicht sattsehen kann, mich auf der Plattform ausruhe und total begeistert diesen wunderbaren Blick auf die Insel und unser Resort genieße, versucht Rolf zu uns auf die Plattform zu schwimmen. Zu uns heißt, dass außer mir noch eine Deutsche mit mir auf der Plattform ist, mit der ich mich gerade über ihren Beruf und ihre Reiseplanung usw. austausche. Auch sie hat mit 66 Jahren mit ihrer Tochter den zweitägigen Dschungel-Trek geschafft und ist völlig begeistert, dass die Affendame ihre Hand genommen hat.

Wir beobachten Rolf, der scheinbar auf der Stelle schwimmt und immer weiter nach rechts abdriftet. Ich frage mich, ob er das noch schafft oder ob er meine Hilfe braucht. Während ich ihren Erzählungen lausche, behalte ich ihn im Blick. Er hebt seinen Kopf und ruft mir „Ich schaffe es nicht“ zu, was ich angesichts der Strömung gut nachvollziehen kann. Zum Glück schafft er es mit Mühe zurück ans Ufer, wenn auch mit einer kleinen Schramme. Das Herauskommen ist angesichts der Steine schon schwierig.

Blick von der Plattform auf unser Resort

Am späten Nachmittag bei Ebbe versuchen wir es noch ein letztes Mal. Ich hangele mich mit nackten Füßen über die Steine, während Rolf mit seinen Barfuß-Schuhen locker darüber geht. Mit der GoPro haben wir Spaß beim Filmen unter Wasser und auf der Plattform. So romantic! Unser letztes 4- Gänge Menü mit Tuna-Steaks übertrifft noch mal alle bisherigen Dinner. Unfassbar lecker! Mit unseren vier deutschen Backpackern, die wir kennen gelernt haben, hatten wir noch einen lustigen letzten Abend.

Fähre nach Banda Aceh

Um 6 Uhr klingelt am nächsten Morgen der Wecker. Los geht’s in’s nächste Abenteuer. Schließlich wissen wir nicht, wann und ob wir von Banda Aceh wegkommen. Unser Ziel ist Takengon oder Ketambe. Der Abschied von Freddie fällt mir so schwer, dass ich kaum ein Wort herausbekomme. Ich habe noch nie auf all meinen Reisen einen so rührseligen Gastgeber kennengelernt, der sich jeden Abend nach dem Wohl der Gäste erkundigt, der mit so viel Liebe dieses Resort betreibt und das allabendliche Dinner zaubert, der dir alles organisiert, was du brauchst, der einfach dein Wohlergehen in den Mittelpunkt stellt. Ein letztes Foto von uns Dreien, ein dicker Drücker, ein „travel safety“, ein Tränchen im Auge und los geht’s zur Fähre.

Zum Abschied noch ein Selfie mit Freddie …

Pulau Weh – ein Paradies

Ein Beitrag von Eve

Wer kennt schon Pulau Weh? Wahrscheinlich nur ein paar eingefleischte Taucher wissen von dieser Perle in der Andamensee im Norden Sumatras. Doch die Insel hat mehr zu bieten als ein paar Tauch- und Schnorchelspots. Schon bei der Anfahrt mit der Fähre habe ich mich in den Anblick verliebt. Diese üppige Natur, diese abgeschiedene Lage, die grünen Berge, das blaue weite Meer … nach ca. 30 min erreichen wir Freddies, der uns sehr freundlich empfängt. Als wir in unserem Bungalow den Ausblick auf das Meer gesehen haben, fallen wir uns erschöpft und glücklich in die Arme … genauso wollten wir es doch haben. Erst einmal ein Bier aus der Tasse, denn hier gelten die Scharia-Gesetze, d.h. Bier muss verdeckt sein, sonst muss der Besitzer Strafe bezahlen.

Hier am Sumur Tiga Beach kann man von einer Plattform aus wunderbar im türkisblauen Wasser schnorcheln, sich auf dieser ausruhen und das Paradies aus einer anderen Perspektive betrachten. 

Becak-Tour

Unser Guide, Saiful, lacht über’s ganze Gesicht, als wir einsteigen. Wir nehmen Platz im Seitenwagen und er braust direkt los. Während uns der Fahrtwind die Käppis vom Kopf weht, genießen wir den Ausblick auf das türkisblaue Meer zwischen dem saftigen Grün. Herrlich, das wird ein cooler Tag. Ganz schön steil hier … ein bisschen wie Achterbahn fahren. Unser erster Stopp ist ein Wasserfall, „Air Terjun Pria Laot“, den wir über einen Pfad und einigen Bachüberquerungen versuchen zu erreichen. Ich scheitere jedenfalls an einem schräg stehenden Brocken. Saiful lässt nichts aus, um mich doch noch darüber zu bewegen. Er hebt schwere Brocken aus, um mir eine gangbare Überquerung zu ermöglichen. Aber bei mir herrscht gerade die Panik davor, nicht wieder zurückkommen zu können. Der Schweiß läuft mir vor Angst und Hitze in die Augen. „Go with Rolf,“ wiederhole ich mehrfach kopfschüttelnd und seine Hand ausschlagend. Er zögert, mich hier hängen zu lassen, sieht dann ein, dass mit mir nicht mehr zu verhandeln war. 

Weiter geht’s dann an Panorama-Aussichten und an Affen am Straßenrand vorbei, durch kleine Dörfer und dichte Dschungelberge bis zu dem Denkmal „Kilometer Zero“, dem nördlichsten Teil des größten Inselreichs der Welt. Danach ist Indonesien zu Ende.

Der nächste Strandabschnitt bei Bixio entspricht absolut dem Klischee vom Traumstrand. Das Schnorcheln soll hier fantastisch sein … viele bunte Fische im türkisblauen Wasser … feiner Sand, ein paar wenige Hütten, nichts los. Bei den Apollo-Bungalows fragen wir mal nach … unfassbar, so nah am Strand, so chillig, traumhaft … 

Im Greenhouse-Restaurant in Iboih essen wir eine köstliche Nudelsuppe und quatschen mit 2 deutschen Jungs, die in der Hängematte abhängen, über das Reisen auf Sumatra, während die Hängematte des Einen vom Balken reißt. Plumps … no problem, wird gleich repariert. Die chillige Atmosphäre hier wird von Gitarrenklängen der Kellner und diversen Gerüchen noch verstärkt. Alle sind gut drauf!

Nach 1 Stunde düsen wir weiter zum Lumba Lumba-Beach in Gapang, wo sich alte Häuser neben luxuriösen Resorts aneinander reihen und das Meer wieder türkisfarben glitzert. Ich weiß, das haben wir schon gesagt. Auf dem Rückweg schauen wir uns noch die Hauptstadt „Sabang“ an, streifen einige Denkmäler, die hier vom 2. Weltkrieg noch zu sehen sind, fahren über den Sabang Hill mit Ausblick auf die gegenüberliegende Küste von Iboih.

Ein wunderschöner Trip geht langsam zu Ende. Noch ein paar Fotos und ein dickes Danke an Saiful.

Teil 2: Slow Flow im Yoga-Retreat

Retreat heißt ja so viel „Rückzugs- oder Zufluchtsort“. So ein Retreat ist so eine Welt für sich. Neben den lichtdurchfluteten Übungshallen (Shala) hängen Yogamatten, stapeln sich Polster, Holzklötze und andere Hilfsmittel. In jeder Shala befindet sich neben dem Skelett auch eine Moderationstafel, ein kleiner Altar mit Räucherstäbchen und Blumenketten und gegen die Sonneneinstrahlung.  Zu dem Speisebereich gehören vier Open-Air-Spülen, an denen jeder sein Geschirr usw. selbst spült, denn viele Hände … Auch ein Kühlschrank kann von allen genutzt werden.

http://www.krantiyoga.com/

Die super Yogis, besonders die, die auch das Teacher Training absolvieren, machen den ganzen Tag außer essen und schlafen auch wirklich nichts Anderes. Übrigens kostet das vierwöchige Teacher Training um die 4500€, inclusive Unterkunft, Essen/Getränke und Unterricht. Für Indien ganz schön viel, oder? Wer es nicht ganz so intensiv betreiben möchte, bucht besser – so wie ich – Yoga-Holiday. Dann kannst du so viel bzw. wenig Yoga machen, wie du willst.

Kranti Yoga Retreat

Alles ist durchdrungen vom Yoga. Interessant ist, dass es Leute aus der ganzen Welt hier hin zieht. Yoga verbindet. Einige nehmen sogar den langen Weg mit enormer Zeitverschiebung aus den USA in Kauf, Andere kommen aus Italien, aus England, aus Irland, Rumänien Frankreich, Brasilien, Thailand, China … unfassbar viele Nationalitäten, wodurch die Unterhaltungen beim Essen wirklich lustig und interessant sind.

In jeder Szene gibt es ja bestimmte Normen, die mehr oder weniger sichtbar sind. Hier fällt mir bzgl. der Yoga-Mode auf, dass lange bunte Leggins der Renner sind. Dazu wird meistens ein bunter Sport-BH mit oder ohne Shirt getragen. Bei diesen klimatischen Bedingungen ist es mir ein Rätsel, wie die lange Hose auf die feuchte Haut gezogen wird. Nackte Beine sehe ich kaum, wenn, dann bei den Männern, die wirklich noch die kurzen Hosen aus den 80ern tragen. Teilweise schön anzuschauen. Natürlich gibt es unter den männlichen Yoga-Lehrern das ein oder andere Schnittchen, um das sich einige Frauen tummeln. Rastalocken, Pferdeschwanz, definierte Muskeln, braun gebrannt … tja, die müssen nun wirklich keinen großen Balztanz veranstalten. No drugs, no alcohol, no smoking heißt es hier auf vielen Schildern.  Alle trinken ayurvedischen Tee, je nach Typ Kappha, Dosha , Melonensaft oder Wasser. Zu Essen gibt es leckeres indisches vegetarisches und veganes Essen – was sonst 😉 … mit Linsen (Dhal), Curries mit viel Gemüse, Roti oder Naan. Wer Yoga macht, lebt sowieso gesund, ist diszipliniert, selbstreflektiert, ethisch korrekt, friedvoll und entspannt.

In den Pausen trifft man sich am W-Lan-Hotspot oder am Strand. Zum Resort gehören einige Liegen mit Polstern und Sonnenschirmen, alles schon etwas in die Jahre gekommen.

Die Unterkünfte liegen entweder im vorderen Teil, rund um die Rezeption und den Speise-Küchenbereich oder am Strand mit oder ohne Oceanview. Mein Zimmer im ersten Stock über der Ocean-Shalaq gefällt mir gut, klein aber fein, Balkon mit Wind und Hängesessel, sogar ein Schrank (mit Holzwürmern), ein großes Bett und ein relativ neues Moskitonetz. Dass der WC-Deckel nicht mehr hält und die Dusche kalt ist, stört mich nicht. Ich habe alles, was ich brauche.

Meine Experimente gehen weiter: Pranyama um 7:45 Uhr. Atmen … ich habe mir ehrlich gesagt noch nicht allzu viele Gedanken um’s Atmen gemacht. Ich lebe, also atme ich. Das ist wie mit dem Herzschlag, da denke ich doch auch nicht drüber nach. Aber jeder Atemzug ist ein Lebenszeichen und birgt die Möglichkeit, dieses Lebendigsein intensiv zu spüren. Mit meiner Hand auf dem Bauch spüre ich, wie er sich hebt und senkt. Die Rhythmen werden uns angesagt … dreimal ein … dreimal aus … oder einmal ein und dreimal aus … in den Brustkorb und mal in den Bauch … mal durch das eine dann durch dann andere Nasenloch … gemeinsam summen, singen wir die Mantras … der Atem fließt und ich fühle mich verbunden mit mir und meinem Körper, mit meiner Umgebung, mit den Yogis neben mir … wir alle atmen.

Jetzt verstehe ich auch, warum die Übungen so kompliziert sein müssen, so dass wir uns schon sehr konzentrieren müssen … auf einem Bein stehen, nach vorne beugen, rechtes Bein nach hinten schieben, Hände zum Namaste vor die Brust, Fixpunkt anvisieren, Spannung halten und das Atmen nicht vergessen. Das fordert uns so stark, dass wir keine Kapazitäten mehr frei haben, um an etwas Anderes zu denken. Du kannst nur im Hier und Jetzt sein, sonst würdest du umfallen. Unser Atemfluss gibt uns Energie. Wenn wir tief und ruhig atmen, kann uns nichts aus der Ruhe bringen. Bewusstes ruhiges und tiefes Durchatmen kann bereinigen, uns runterbringen, wenn wir uns aufregen. Unser Leben beginnt mit dem Einatmen und endet mit einem letzten Ausatmen, dazwischen liegt eine unbestimmte Zahl von Atemzügen.

Für mich ist das hier wie eine Reha, nur eben in Indien … nur dass ich sie selbst bezahle. Warum wird so etwas eigentlich nicht von den Kassen bezuschusst?  Wenn ich hier meinen strapazierten Rücken stärke, ist das förderlich für meine Gesundheit und meine Arbeitskraft. Das macht doch Sinn, oder? Genau, das wäre es doch … Ich verlängere auf drei Wochen … Antrag ist gestellt.

Die fixen Rituale sind eine große Hilfe, die Übungen täglich umzusetzen. Körper und Geist gewöhnen sich immer mehr an diesen Tagesablauf, so dass keine Schweinehunde mehr auftauchen.

Warum eigentlich Yoga in Indien?

Ja, das wurde ich vor meiner Reise das eine oder andere Mal gefragt. Geht auch in Köln, oder? Ja, was soll ich darauf bloß antworten. Blöde Frage, oder?

Ehrlich gesagt, habe ich in Köln nicht so viele Yogakurse besucht. Zudem ist Yoga am Strand bei über 30 Grad mit täglich über 10 Std. Sonne in Köln nicht zu finden. Da mich die Sonne und das Meer glücklich machen, ich mich im letzten Jahr in Indien verliebt habe, das indische Essen und das Kingfisher Bier mein Wohlbefinden weiter toppen und weil ich eine unbändige Lust habe, Neues zu entdecken und zu lernen … deswegen bin ich hier … und weil ich mich hier entspannen kann … das ist für mich eine kleine Auszeit, raus aus den Verpflichtungen im Alltag, weg von schulischen Aufgaben, die mich sonst zu Hause wieder zum Abarbeiten verführen würden. Hier kann ich das tun, was mir guttut: joggen, schreiben, lesen, nachdenken, Yoga üben, meditieren, mit Leuten aus der ganzen Welt quatschen, schlafen usw. Nach nun 5 Tagen spüre ich, wie die Verspannungen zunehmend verschwinden und sich stattdessen tiefe innere Ruhe und Glück einstellen … im Einklang mit mir selbst, ist ein treffender Ausdruck dafür.

In unserem (Bildungs-) System arbeiten wir viel zu viel, so dass wir den Off-Schalter nicht mehr finden. Hier beim Yoga kann ich ihn schon mal ölen, damit er keinen Rost ansetzt und im Alltag nicht wieder einrostet.

Da Yoga seine Wurzeln in Indien hat, versprechen ich mir, hier ein besonders authentisches Yoga erfahren zu können. Da ich kein Experte bin, kann ich das nur ganz subjektiv beurteilen. Die Yogalehrer*innen sind sehr aufmerksam und erfahren. Ich mag sie sehr, da sie so wohltuend wertschätzend, geduldig und friedlich sind.

 

Schon wieder in Indien

Teil 1: Von Frankfurt nach Goa

Liebes Indien,
nun habe ich so lange schon die Tage gezählt, bis ich wieder hier sein kann. In den 7 Std. mit der Lufthansa vergnügte ich mich mit zwei berührenden Filmen. Dieser hier „Lion – Der lange Weg nach Hause ein preisgekröntes Identitäts-Drama nach einer wahren Geschichte: Als erwachsener Mann verlässt Adoptivsohn Pavel Australien, um seine indischen Wurzeln zu finden.“ ist unfassbar berührend! und …, die mich natürlich zum Weinen brachten. Am Schalter von Jet-Airways bekam ich meinen ersten Schweißausbruch:“ Your are not on this flight … which Company? Im Geiste erwürgte ich den Geschäftsführer von Bravofly, die mich ja bereits im Vorfeld an den Rand des Nervenzusammenbruchs gebracht hatten. Nach dreimal Hin-und Herlaufen konnte er mich dann doch unter einer anderen Flug-Nummer finden. Puh, Glück gehabt. Morgens um 6:30 Uhr in Goa Dabolim Airport angekommen fand ich dann doch glatt den Taxifahrer mit dem Schild „Kranti Yoga“. Auf der Rückbank längs sitzend, legte ich die Füße hoch und ließ die Landschaft, die Menschen und Häuser an mir vorbeiziehen. Ja, Indien ist so anders … Incredible India … der Werbeslogan gilt ungebrochen … Indien ist in unserem westlichen Sinne nicht unbedingt schön oder ästhetisch wie Thailand oder Bali … Indien ist einfach nur incredible …

Am Patnem Beach angekommen, sehne ich mich völlig übermüdet nach einem Bett in meiner Hütte, doch ich muss mich noch gedulden, da die Frau von der Rezeption gerade noch nicht da ist. Ach ja, da fällt es mir doch wieder ein … meditatives Arbeiten … Hier tummeln sich jede Menge Yoga-Frauen, fast alle durchtrainiert und gut aussehend mit einer handvoll Männern darunter. In der Shala beobachte ich eine Yoga-Class, denn so kann mich schon mal auf das einstellen, was auf mich zukommt.

Da mein Bungalow „Beachfront Nr. 8“ im ersten Stock liegt, geht immer ein leichter Wind, was bei 35 Grad im Schatten schon von Vorteil ist. Ich freue mich hier zu sein, dusche kalt und genieße ein gesundes Frühstück unter all den Yogis. Ich habe die Wahl zwischen Früchten, Joghurt, Linsen, Porridge, Müsli, Honig, allerlei ayurvedischer Balance-Tees, Nescafe, Wasser und Melonensaft. Jeder spült hier sein Geschirr an der Open-Air-Spüle. Verboten sind Alkohol, Drogen und Rauchen.

Nach ein paar Nickerchen am Strand schaue ich mich mal um und entdecke eine kleine Shopping-Straße, wo ich eine Massage für meine Rücken finde. Puh, ganz schön hart und schmerzhaft, das muss jetzt sein, Augen zu und durch … schließlich habe ich mir ja vorgenommen, diese ganzen Verspannungen hier zu lösen. Bei dieser feuchten Hitze erfreue ich mich an der Air-Condition. Sie drückt und quetscht mit full power, was ich dieser zierlichen Frau nicht zugetraut hätte. Eine anschließende Fußreflexzonenmassage könnte doch genau das Richtige sein. „It’s a man. Is it a problem for you?“ antwortet mir die Lady im 2. Massage-Shop. „No!“ … es geht doch um meine Füße, oder? Er führt mich am Strand entlang zu einer Bretterbude, sein ayurvedisches Studio.

Füße reinigen und dann geht’s rund … immer wieder zucke ich zusammen, rufe „Stop“ oder balle meine Hände zu Fäusten … insbesondere die weichen Stellen an den Fußsohlen schmerzen extrem und immer wieder drückt er darauf herum … er muss sehr davon überzeugt sein, den richtigen Punkt gefunden zu haben. Das muss gut sein, sage ich mir immer wieder. Anschließend bietet er mir sein weiteres Programm an und ich nicke freundlich … perhaps tomorrow. Der Strand und die Bucht scheinen optimal zum Joggen zu sein. Einige Resorts fangen schon an, ihre Hütten abzubauen, die Liegen sind kaum belegt, die Bars wenig besucht. Nachsaison … zum Glück sehe ich auch nur wenigen Russen, doch die Schilder auf russisch stören mich schon. Was ist nur in die Inder gefahren? Wieso sehe ich eigentlich keine Kuh hier am Strand?

Am Abend genieße ich mein 1. Kingfisher am Strand, beobachte den Sonnenuntergang und entscheide mich, als ich den Fisch sehe, hier zu essen, d.h. ich bezahle hier nun ein Essen, obwohl ich im Resort Essen bekomme … ja, aber eben kein Fisch … Gegrillter Thunfisch … sehr schmackhaft zubereitet. Leider ist es so dunkel am Tisch, dass ich die Gräten und andere komische Dinge nur erahnen kann. Egal, muss jetzt sein.

Samstag

Die ersten Yoga-Class „Ashtanga Led“ am nächsten Morgen um 8:30 Uhr verlangt mir aber auch alles ab.

Der Blick auf’s Meer ist schon mal cool. In einem irrsinnigen Tempo versuche ich mitzuhalten, schaue ständig zu meiner geübten Nachbarin, da ich nicht jede Ansage auf Englisch verstehe. Ich gucke mir an, was sie macht, versuche meine Körperteile in die entsprechende Position zu bringen, im Rhythmus ein- und auszuatmen, wieder Wechsel, wieder gucken usw. … ganze 90 min geht das so … ehrlich gesagt, tun’s bei mir 60 min auch. Ich bin fix und fertig, gehe zum Frühstück und stärke mich mit Melonensaft, Kapha-Balance-Tee und Früchten mit Joghurt und etwas Müsli.

Ein nettes Pärchen empfiehlt mir, unbedingt morgens um 7:45Uhr den Pranyama-Kurs und Yoga Slow Flow- Class auszuprobieren. Das sei insgesamt langsamer. Auch seien die Privatstunden eine gute Möglichkeit seine Yoga-Positionen korrigieren zu lassen und zu üben. Aha, denke ich, so weit bin ich noch nicht. Am Nachmittag wage ich mich mal für 1 Std. in die heiße Sonne und sammele dann um 16:30 Uhr weitere Erfahrungen im Vinyasa Flow. Ja stimmt, es ist viel langsamer, aber auch hier gibt es Positionen, da weiß ich überhaupt nicht, wie ich die ausführen soll. Muss ich ja auch nicht, bin schließlich mit 55 Jahren die Älteste hier. Da muss ich auch keinen Kopfstand mehr üben, mit meinem dicken Po ist es mir eh ein Rätsel, wie ich den da hoch kriegen soll. Ich sehne mich nach dem ganzen Flow nach einem Bier, endlich 18 Uhr und ab in die Nirwana Bar, Sonnenuntergang und Kingfisher, was will frau mehr? Daraus werden glatt zwei, sind ja kleine Flaschen!