Home | Cucina Italiana | CaffèEspresso regt an - nicht auf

Häufig heißt es, die Italiener hätten uns an Lebensart einiges voraus (was natürlich auch stimmt!): eine Küche von mediterraner Vielfalt, Schmuseschlager zum Mitsummen à la Adriano Celentano, die Tradition der mittäglichen Siesta - kurzum, einfach einen lässigeren Lebensstil. Zum Glück haben wir unseren Nachbarn ein paar Tricks abgeschaut, die das Grau aus dem Alltag vertreiben helfen - beispielsweise den Espresso. Espresso regt an - nicht auf. Als sanfter Muntermacher beflügelt der Espresso die Sinne und lädt zum Träumen ein - auch hier, oder gerade hier in Köln, der nördlichsten Stadt Italiens (da lassen wir uns auch nicht von abbringen ;-):

"Un altra te" klingt es aus den Lautsprechern der kleinen Espressobar. Eros Ramazotti, dazu ein heißer, aromatischer Espresso macchiato (mit einem Schuss heißer Milch und etwas Milchschaum) ­ das ist fast so als wäre man in Italien. An einem der Tische sitzt ein junges Paar, auf dem Boden stehen Einkaufstüten. Nach ihrer Shoppingtour wirken die beiden etwas abgespannt. Dann serviert der Kellner, der Barista, wie er in Italien genannt wird, zwei Tassen Espresso. Tiefschwarz, aromatisch duftend und mit dem bligatorischen Häubchen Crema. Ein erster Schluck, ein zweiter, schon huscht ein Lächeln über die Gesichter.

Espresso ist in den letzten Jahren längst zum Kultgetränk avanciert. Espressobars bekannter Kaffeehersteller schießen wie Pilze aus dem Boden. Überall dort, wo das Leben pulsiert, gibt es eine italienische Caffèbar. In der Mittagspause oder beim Einkaufen genießt man auf die Schnelle einen kleinen Schwarzen.

Dabei hat die Zubereitung einer guten Tasse Espresso nichts mit Hektik zu tun. Vielmehr ist es eine wahre Kunst, den caffè, wie der Espresso in Italien schlicht genannt wird, so zuzubereiten, dass er die Sinne beflügelt, an den letzten Urlaub im Süden erinnert und uns vom nächsten träumen lässt.

Sechs bis sieben Gramm der gemahlenen Espressomischung, mit einem Mahlgrad zwischen hauchfeinem Pulver und Körnchen mit einem Durchmesser von einem Millimeter, etwa 30 Milliliter Wasser mit einer Temperatur von 90 bis 92 Grad Celsius, ein Druck von neun Bar und maximal 30 Sekunden "Extraktionszeit" (in dieser kurzen Zeit werden – im Vergleich zum Filterkaffee – weit weniger Koffein und Gerbstoffe freigesetzt) - so lautet die Formel. Dazu werden die kleinen Tassen auf den großen Espressomaschinen vorgewärmt, damit der Espresso nicht zu schnell kalt wird. Ein guter Espresso ist leicht zähflüssig und hat eine feste, hellbraune Cremakrone.

Aufgrund des hohen technischen Anspruchs gibt es Espresso, so wie wir ihn heute kennen und schätzen, erst seit den 30er Jahren. Noch heute aktuell ist das 1961 von Ernesto Valente entwickelte Prinzip, bei dem das Wasser mit Hilfe einer Drehpumpe komprimiert, dann an einen Wärmetauscher abgegeben, auf 90 Grad Celsius erhitzt und schließlich mittels einer Sprühvorrichtung gleichmäßig auf dem Kaffeepulver verteilt wird.

CaffeteriaWer sich privat keine Espressomaschine leisten möchte (gute Maschinen ab 500 Mark), der kann den kleinen Schwarzen auch in der Caffeteria zubereiten, dem Espresso-/Mokkakocher für den Herd. Normalerweise muss dann auf die Crema, die kleine Schaumkrone, verzichtet werden, die nur bei der Zubereitung mit der Espressomaschine entsteht - wenn es da nicht einen Trick geben würde.

Was die Bekömmlichkeit betrifft, schneidet der Espresso im Vergleich mit herkömmlichem Filterkaffee viel besser ab: Weniger Bitterstoffe, weniger Koffein - Espresso regt an, aber nicht auf. Seine gute Verträglichkeit verdankt er einem besonderen Röstverfahren. Die Kaffeebohnen werden bei steigender Temperatur schonend dunkel geröstet und dann mit Luft gekühlt, um das Aroma zu konservieren. Wie kräftig die Bohnen geröstet werden, hängt in Italien vom regionalen Geschmack ab. Die Kaffeeröster verwenden für Espresso überwiegend Arabica-Bohnen aus Süd- und Mittelamerika. Manche mischen diese noch mit einem kleinen Teil kräftig schmeckender Robusta-Bohnen, die für die dickflüssige Konsistenz und die Crema sorgen. Die Arabica-Bohnen geben dem Espresso nicht nur einen feinen Geschmack, mit ihrem niedrigen Koffeingehalt (1,1 bis 1,7 Prozent) wirken sie auch weit weniger aufputschend als die Robusta-Bohnen (2 bis 4,5 Prozent). Wem der Espresso pur zu stark ist, der kann ihn mit Zucker süßen: Die Mailänder nehmen durchschnittlich einen, die Süditaliener bis zu vier Teelöffel pro Tasse ­ mehr Zucker als Kaffee!

Es gibt zahlreiche Variationen mit Espresso: Die bekannteste ist der Cappuccino, ein Espresso, der zu gleichen Teilen mit heißer Milch und Milchschaum aufgegossen wird. Der Ristretto oder auch Corto ist der stärkste Espresso. Er wird bei gleicher Kaffeemenge mit weniger Wasser zubereitet. In die Mode gekommen ist der Espresso macchiato, ein Espresso mit einer Haube geschäumter Milch. Der Caffè latte wird mit viel heißer Milch aufgegossen und erinnert an den französischen Café au lait.

Zur Kultur des Espressotrinkens gehört nicht nur das Getränk, sondern auch die lässig-italienische Atmosphäre der Caffèbars. Wer Appetit auf einen Snack hat und Erholung sucht, der findet hier ein kleines Paradies: Zeitungen liegen aus, italienische Musik lädt zum Träumen ein, der charmante Barista liest einem fast jeden Wunsch von den Augen ab. Dazu werden feine italienische Dolci oder belegte Panini serviert. Traditionell wird zu einem Espresso immer ein kleines Glas Wassser gereicht, um den leicht klebrigen Geschmack zu neutralisieren. Eine Sitte, die leider kaum noch anzutreffen ist. Eine von wenigen Ausnahmen hier in Köln bildet erstaunlicherweise die Meyersche Buchhandlung am Neumarkt (lässt sich dann bestens mit etwas Schmökerei verbinden). Obwohl das Wasser auch einen gesundheitlichen Aspekt hat: Koffein entzieht dem Körper nämlich Flüssigkeit.

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